Illustration die Hybride Messen zeigt
09.02.2021

Warum Hybridmessen die Zukunft sind.

Digitale Messen, Teil 2

Im ersten Artikel zur Zukunft der Messen haben wir gezeigt, in welchen Bereichen sich Messen verändern müssen, um auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Wenn man diese Empfehlungen mit der Realität abgleicht, ist die Bilanz ernüchternd. Viele große Veranstaltungen (Möbelmesse Köln, Ambiente Frankfurt) haben sich im zweiten Pandemie-Jahr nicht neu erfunden, sondern einfach ihre Veranstaltungen komplett abgesagt. Aus unserer Sicht eine schwer nachvollziehbare Entscheidung. Denn eins ist klar: Geschäfte werden weiterhin gemacht werden. Wenn Messen sich dafür als Plattform entziehen, werden sich die Geschäftsaktivitäten woanders hin verlagern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach so einer Entwicklung später wieder zur Messe zurückkehren, halten wir für niedrig.

Allerdings hätten Messen viel zu bieten, wenn sie ihre Angebote auf einen aktuellen Stand bringen würden und nicht nur warten, dass alles wieder so wird wie vorher. Denkt man ein bisschen drüber nach, wird klar, wie viele Vorteile die digitale Messevariante bietet, wie viele neue Geschäftsfelder sich auftun, die sich vermarkten lassen, wie attraktiv die Skalierungsmöglichkeiten sind. Wir sind uns sicher, dass Hybridevents das neue Normal von Messen werden. Deshalb halten wir es für sehr lohnenswert für Messeveranstalter dieses neue Feld nicht nur zu erkunden, sondern darauf massiv zu setzen.

Hybridevent als New Normal.

Die Herausforderungen, über die wir uns im letzten Artikel Gedanken gemacht haben, haben natürlich auch bei Hybridformaten Bestand. Sie werden sogar noch größer, denn um Qualitätsunterschiede zu vermeiden, muss zusammenhängend für Vor Ort und Online konzipiert werden. Das sind hohe Anforderungen an das Design der Nutzererfahrung solcher Events. Idealerweise darf es keinen qualitativen Unterschied machen, wie man teilnimmt. Messestände müssen für beide Formate gedacht werden, einmal physisch in der Halle, einmal digital. Dabei werden diese beiden Versionen sehr unterschiedlich aussehen. Denn es macht keinen Sinn den physischen Stand für die virtuelle Version nachzubauen. Die Versuche auf diesem Gebiet sind aus UX-Sicht eher ernüchternd und es wird schnell offensichtlich, dass 3D-gerenderte Stände nicht die Lösung sind. Trotzdem muss jeder User die gleichen Partizipationsmöglichkeiten haben und ein Besuch des virtuellen Messestandes muss eine ebenbürtige Erfahrung des physischen Besuches bieten. Als digitaler Besucher will ich zum Beispiel per Video genauso mit den Ausstellern auf dem Messestand sprechen können, als wäre ich vor Ort. Das bedeutet aber auch für die Planung der physischen Stände, dass man den Besuch virtueller Gäste gleich mitdenkt. Ziel muss hier sein: Gleiche Markenwahrnehmung, gleich wertvolle Art der Interaktion.

Gleiche Qualität trotz unterschiedlicher Experience

Für die Veranstalter und Aussteller steckt im Hybridformat eine riesige Chance. Bekommen sie das Messeerlebnis so weiterentwickelt, dass es sich gut anfühlt, rein digital teilzunehmen, werden sie viel mehr Teilnehmer begrüßen können als jemals zur physischen Messe gekommen wären. Denn es gibt viele Menschen, denen ein Thema nicht wichtig genug ist, für eine dreitägige Reise zu einer Messe, die sich aber gern dafür ein paar Stunden vor ihrem Rechner Zeit nehmen. Auch für Neukunden außerhalb der bisherigen Zielgruppe einer Messe kann diese virtuelle Präsenz ein guter Einstieg sein. Und das auch noch ohne CO2-Emission. Zudem ist in diesem Modell die benötigte Flexibilität in Pandemiezeiten gleich mit eingebaut. Kann die Messe nur teilweise stattfinden, wird der digitale Teil einfach vergrößert. Kann sie gar nicht stattfinden, lässt sie sich ohne Weiteres komplett ins Netz verlagern.

Messen brauchen eine digitale Kehrtwende.

Die Welt hat sich wirklich gedreht in 2020. Bisher war das Herzstück besonders des B2B-Marketings die physische Messe und die Ergänzung fand auf den digitalen Kanälen statt. Das wird sich ändern. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich Messen komplett drehen und neu erfinden müssen. In Zukunft wird das Herzstück der Messe aus vielen Gründen ein digitales Ökosystem sein. Und eine Messe muss konsequent aus dem Digitalen heraus gedacht werden. Das bedeutet für uns, dass sich der Schwerpunkt der Messen ins Digitale verschieben wird und verschieben muss. Wir nennen das die digitalere Messe.

Folgende fünf Punkte machen die digitalere Messe zu einem Erfolg:

1. Profilbasierte Vermarktung von Inhalten

Die Integration von Nutzerprofilen in die Messeplattform ermöglicht ausführliches Erheben, Sammeln und Analysieren von Nutzerdaten. Die digitalere Messe kann so viel mehr über ihre Aussteller und Besucher teilen. So können viel gezielter Inhalte und Themen ausgespielt werden, die ihnen auch wirklich etwas bringen. Schnell werden alle User merken, dass verantwortungsvolle Datennutzung hier zu einer signifikanten Qualitätsverbesserung für beide Seiten führt. Branchenspezifisches Matchmaking kann ebenfalls auf Nutzerprofile aufgesetzt und mit Inhalten vernetzt werden. Ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen war die letzte Dmexco: Jeder Nutzer, egal, ob Keynote Speaker, Standmitarbeiter, Fragensteller oder schlicht Besucher, jeder kann kontaktiert und in das persönliche Netzwerk aufgenommen werden. Und die Profile sind von jeder Stelle aus erreichbar.

2. Unendliche Messeflächen

Der digitale Raum bietet unendlichen Platz und Skalierungsmöglichkeiten für virtuellen „Ausstellungsraum“, der auch von Besuchern der physischen Messe genutzt werden kann. So können Angebote ergänzt werden, für die es auf der echten Messe keinen Platz gab. Oder es können sogar rein digitale Präsenzen an Aussteller verkauft werden, denen das Gesamtpaket aus vor Ort und digital zu teuer ist. Zudem kann der Messezeitraum durch vor- und nachbereitende digitale Veranstaltungen erweitert werden.

3. Echtzeit-Interaktion

Die digitalere Messe fungiert nicht nur als Content-Lieferant, sie moderiert auch die Diskussion, lädt zu Austausch in Echtzeit ein. Statt Beschallung in eine Richtung werden über einen interaktiven Kommunikationshub Themen noch wirkungsvoller gesetzt. So lassen sich auch sehr diverse Messezielgruppen effizient erreichen.

4. Real baut auf digital

Die digitalen Kanäle werden zum integralen Bestandteil auch der physischen Messe. Über die Messe-Website oder eine begleitende App bereitet sich der Besucher/Aussteller vor, vor Ort dient sie als Navigator, Kontakttool und Terminplaner. Mit ihrer Socialfunktion lassen sich Bekannte auch vor Ort finden. Dank AR haben auch Besucher in der Messehalle eine Second Screen Experience. Nach der Messe unterstützt sie bei der Nachbereitung und wird dann zur ganzjährigen Kommunikationsplattform einer Branche.

5. Always On

Funktionierende Messen leben in Zukunft auf einer starken digitalen Plattform, die sie ganzjährig bespielen. Für den Messezeitraum werden sie um hybride Erlebnisse ergänzt, die den Jahreshöhepunkt bilden. Physische, digitale und hybride Erlebnisse müssen aus dem Digitalen heraus gedacht und entwickelt werden. Je nach Budget und Möglichkeiten, erweitern und verlängern Maßnahmen vor Ort die digitale Messe.

Es braucht neue digitale Geschäftsmodelle 

Eine große und wichtige Frage bleibt: Wie verdienen Messen mit all diesen digitalen Maßnahmen Geld? Oder anders gefragt: Was ersetzt und ergänzt die zentrale Währung physischer Messen, den verkauften Quadratmeter? Denn auch digitalisierte Messen mit all ihren tollen Ideen funktionieren nur, wenn sie auch weiterhin rentabel sind. Digitale Standgebühren, Tickets und Dienstleistungen werden das nicht richten.

Der wirtschaftliche Druck verleitet dazu, nur an der Oberfläche anzusetzen: Was kann man schnell verkaufen, mit welchen Inhalten beispielsweise lässt sich rasch Geld verdienen? Oder für welche digitalen Features und Services wären Nutzer bereit zu bezahlen?

Doch das alleine ist zu kurz gesprungen. Jede Messe muss sich Gedanken darüber machen, was ihre Kernprozesse sind und was sie für ihre Branche einzigartig und unausweichlich macht. Das gilt es zu transformieren. Das mag für jede Messe etwas unterschiedlich ausfallen. Vermutlich gemein ist den Meisten: Eine Infrastruktur bereitstellen, die Besucher anlockt – sozusagen relevanten Traffic generiert – die Networking und Geschäftsabschlüsse ermöglicht. Auf diese Dinge müssen digitale Geschäftsmodelle aufsetzen.

Ist dieses Ziel geklärt und wird es konsequent verfolgt, ist die Relevanz der Messe in der Branche gesichert und sie bleibt der Branchen-Hotspot. Dann kann man sich damit beschäftigen, wie sich Beziehungsnetzwerk, Reichweite, Inhalte und Dienstleistungen digital vermarkten lassen, wie man neue Sponsoringmodelle etablieren und Besucherdaten vermarkten kann.

Wer Mut hat, das eigene Geschäftsmodell zu hinterfragen, den erwarten Wachstums-, und Skalierungschancen, von denen sich bisher nur träumen lässt. Und besser man macht das selbst, bevor es andere tun. Denn die Unternehmen werden nicht auf die Messen warten, um ihrer Geschäfte zu machen, sondern zügig andere Wege suchen.

Transformation statt Improvisation

Um all das umzusetzen, braucht die digitalere Messe einen Tranformationsplan. Nur so wird es gelingen die einzelnen Messe-Experiences erfolgreich ins Digitale zu übertragen. 

Das Messejahr 2021 steckt voller Chancen und Wachstumsmöglichkeiten. Es lohnt sich, neu und mutig zu denken. Denn egal, wie es weitergeht mit Pandemie, Lockdown und Corona, Menschen werden weiterhin Geschäfte machen und sich treffen wollen.

Die digitalere Messe wird ihnen dafür die besten Plattformen bieten.

 

    Digitale Messen Stefan Walz, Timm Weber 21.01.2021

    Teil 1: Alles auf Anfang? Alles anders? Oder alles irgendwo dazwischen?

    Acht Punkte, wie sich Messen mit und nach Corona entwickeln.

    Digitale Messen, Teil 1

    Text: Stefan Walz, Timm Weber