Illustration die Hybride Messen zeigt
21.01.2021

Acht Zutaten für erfolgreiche Messen mit und nach Corona.

Digitale Messen, Teil 1

Mitte März 2020 kam die gesamte Event-, Live- und Messewirtschaft aus bekannten Gründen zum Erliegen. Das Zusammentreffen von vielen Menschen, quasi die DNA dieser Branche, war einfach zu gefährlich geworden.

Im zweiten Jahr von Corona haben wir uns deshalb angeschaut, wie sich Messen transformieren müssen, um weiterhin ein relevanter Wirtschaftsfaktor und Marketinginstrument zu bleiben. Wie sollten sie die Chancen der Digitalisierung nutzen. Wie sollten sie ihr Angebot weiterentwickeln, auf welche Kanäle und Programme sollen sie setzen.

Eine neue Messe für das New Normal: 

Um die Customer Experience der Messe auf die neuen Anforderungen anzupassen, muss man alle Punkte betrachten, die auch auf physischen Messen Sogwirkung entfalten. Prinzipien und Methodiken des UX Designs müssen bei der Konzeption in den Mittelpunkt rücken und alles muss auf die digitale Nutzung hin optimiert sein. Dabei muss konsequent vom User sprich Aussteller, Journalisten und Messebesucher her gedacht werden. Das bietet die große Chance, alte festgefahrene Gewohnheiten zu überwinden und mit einem neuen Erlebnis die gesamte Industrie aufzufrischen. 

Wir haben acht Punkte identifiziert, die das Messeerlebnis ausmachen. Und wie man genau diese Dinge digital transformieren kann.

Illustration: Einen Ort neu denken

1. Der eine Ort neu gedacht 

Seit tausenden von Jahren treffen sich Menschen an einem ausgewählten Ort, um dort Geschäfte zu machen. Dieser Ort ist räumlich beschränkt – früher der Marktplatz, heute Messehallen oder Convention Center. Hier machte die Messe bisher mit Standvermietung einen Großteil ihres Umsatzes.

Dieser Ort wird in Zukunft digital sein. Die Website einer Messe definiert ihre Rolle neu. War sie bisher Marketing Instrument und im besten Fall zusätzlich eine Vertriebsunterstützung, wird sie jetzt zum Ort des Geschehens selbst – zur digitalen Messehalle. Vereinfacht gesprochen, tut die digitale Plattform dabei genau das, was eine physische Messehalle auch tut: Hier treffen sich Aussteller, Journalisten und potentielle Kunden, um Daten und Waren auszutauschen. Je attraktiver eine Messe also die virtuellen die Möglichkeiten zur Präsentation von Produkten, sowie das Networking gestaltet, desto erfolgreicher wird sie im digitalen und hybriden Raum sein. Zudem können auf dieser Plattform neue Geschäftsmodelle erprobt und ausgerollt werden. Denn die grundlegende Frage bleibt: Wie wird aus dem verkauften physischen Quadratmeter – bisherige Währung für den Erfolg von Messen – ein digitaler „Quadratmeter“.

2. Themen setzen besser denn je

Wenn große Messen zu einem bestimmten Thema stattfinden, bedeutet das automatisch die Themenführerschaft.

Pandemie bedingt werden Messen nicht mehr durch schiere Größe Relevanz erzeugen, sondern noch mehr durch das Setzen von Themen. Highlights und Trends müssen aktiv als  Themenmix kuratiert  werden, an dem Medien und Öffentlichkeit nicht vorbeikommen.

Noch wichtiger als bisher wird deshalb die koordinierte und durchdachte Zusammenstellung des Programms. Was ist das Thema des Events, wie ist das Programm strukturiert.

Darüber hinaus bietet die Messeplattform digitalen Austausch in Echtzeit. Vorträge und Beiträge sind sofort online. Physischer und virtueller Diskurs sowie die Presse-Kommunikation nach aussen sind viel näher beieinander und können sich sofort beeinflussen. Wer hier mitmacht, ist vorne mit dabei und gestaltet die Zukunft mit, kann seine Themen einbringen – und das Große Ganze modellieren.

3. Messepremieren – neue Chancen durch neue Formate

Medienaufmerksamkeit, Publikumsandrang, Fomo funktionieren natürlich nur, wenn richtig was geboten wird. Es braucht Inhalte, denen sich keiner entziehen kann. Blockbuster, Weltpremieren, Gesprächsstarter. Nichts eignet sich für große Launches so gut wie die Zusammenkunft von vielen Menschen. Vor Ort oder digital.

Apple war der Meister der Keynotes. Als Keynotes dieses Jahr dann plötzlich keinen Sinn mehr machten, wurde schnell umgedacht: Vorproduzierte Videos, die alles nutzen, was dieses Format zu bieten hat. Statt mühsam eine Live-Atmosphäre zu suggerieren, hat man versucht, die beste filmische Art zu finden.

Aber es geht auch mit weniger Budget. Ein Autor kann sein neues Buch an einem überraschenden Ort vorlesen. Ein Automobilzulieferer zeigt, wie die neuen Komponenten entwickelt wurden und macht die Innovation so viel anfassbarer. Technologien wie AR machen Produkte auch von zu Hause aus erlebbar. Jeder hat die Chance aus einer Weltpremiere eine Wowpremiere zu machen, zu überraschen und etwas wirklich Neues zu zeigen. Es erfordert nur gute Ideen, Liebe zum Detail und Experimentierfreude.

4. Zeitliche Begrenzung 

Das tolle an Messen und Events: Sie sind schnell wieder vorbei. Wer nicht teilgenommen hat, der hat’s verpasst. Diese Verknappung ist ein weiterer Erfolgsfaktor von Messen.

Zeitliche Verknappung ist ein umso wichtigeres Rezept für gelungene Online Veranstaltungen. Erste Erkenntnisse aus 2020 zeigen, dass digitale Formate für ein zufriedenstellendes Programm nur etwa ein Drittel des Zeitraums einer herkömmlichen Messe benötigen. Dafür sollte aber die Programmvielfalt verdreifacht werden, damit jeder wirklich Passendes findet. Neben einer Verkürzung des Messezeitraums braucht es unbedingt eine klare Struktur, die den Besuchern Orientierung gibt.

Informationsstruktur und Usability müssen daher bereits bei der Event-Konzeption mitgedacht werden. Gelingt dies, kann eine digitale Messe sogar viel besser werden als eine physische.

5. Weg am Schreibtisch statt weg vom Schreibtisch

Eine Messe sorgt für Konzentration auf ein Thema. Auch in den Köpfen der Teilnehmer. Da hat der Büroalltag mal Pause. Man kann eintauchen in diese spezielle Welt. So gelingt es den meisten, sich fokussiert mit einem Thema zu beschäftigen, neue unerwartete Denkanstöße zu bekommen und mit wertvollen Erkenntnissen oder Aufträgen zurückzukommen.

Folgt man einem virtuellen Event vom Schreibtisch aus, ist die nächste Ablenkung nur einen Click entfernt. Das Programm muss daher so packend sein, dass man sich gar nicht ablenken lassen will.

Dazu können spezielle Interaktionsformate den User stärker an das Geschehen binden: Q&A-Sessions, Live-Abstimmungen, Gruppen-Selfies sind nur der Anfang. Hier lohnt es sich viel Zeit und Ideen zu investieren, denn jede erfolgreiche Maßnahme verbessert die Experience der User.

6. Überangebot ab jetzt maßgeschneidert

Die Vorträge sind nur ein kleiner Teil des großen Programmangebots auf Messen. Neuheiten, Panels, Standparties, Expertentouren, ... – wie Charly Wonka im Süßigkeitenladen sollen sich die Besucher fühlen.

Im Netz gilt das Bild vom Kind im Süßigkeitenladen noch viel mehr. Unendlich viele Angebote lassen Online-Messen schnell vollkommen unübersichtlich werden. Um das zu verhindern, müssen Daten viel intensiver genutzt werden. Basis einer erfolgreichen Messeplattform werden qualifizierbare Nutzerprofile. Sie lassen sich ausdifferenzieren und die Angebote so mit den Wünschen der Besucher zusammenbringen. Jeder findet genau, was ihn interessiert. Die gewonnen Daten sind natürlich langfristig nutzbar – auch außerhalb der Messesaison.

Nutzerprofile und die detaillierten Informationen der Aussteller zu ihren Ständen lassen sich in vielerlei Hinsicht für einen gezielteren Messebesuch nutzen: Zum Beispiel kann man Messestände in thematischen Playlists clustern, die genau zu den Interessen des Users passen oder geführte Touren zu Spezialthemen anbieten.

Diese Angebote kann man zudem gesondert vermarkten, erhöhen sie doch für die Aussteller die Chance von den Besuchern entdeckt zu werden.

7. Zufällige Entdeckungen  

Jeder Messebesuch verschafft einem mehr Eindrücke als man verkraften kann. Trotzdem kommt man von jedem Messebesuch mit mindestens einer völlig unerwarteten Entdeckung zurück. Irgendetwas, das man aus dem Augenwinkel entdeckt hat, quasi das unerwartete Messe-Highlight. 

Leider kann das Netz keine wirklichen Zufallsfunde bieten. Alles hängt miteinander zusammen und der Algorithmus berechnet immer die nächsten sinnvollen Vorschläge. Und Überraschungen beruhen oftmals gerade nicht auf Sinnhaftigkeit. Dieses Dilemma gilt es zu überwinden. Zum Beispiel mit einer Art Surprise-Funktion auf der Messewebsite. Über diese wird eine Kuriosität aus dem Messeprogramm vorgeschlagen. Die gute Nachricht: Auch diese Platzierung, lässt sich vermarkten.

8. Das Zwischenmenschliche neu erfinden.

Neben rein beruflichen Themen passiert bei Messen etwas anderes sehr wichtiges: Hier trifft man sich. Von Branchenklatsch über Insidertipps bis hin zum neuen Jobangebot, alles kann sich auf den Gängen der Messe ergeben.

Diese zwischenmenschlichen Begegnungen und Kontakte fehlen den Menschen am meisten in der virtuellen Messe- und Kongresswelt. Dafür gibt es noch keinen wirklichen digitalen Ersatz, der sich so angenehm und zufällig anfühlt wie im echten Leben. Plattformen wie Wonder schaffen einen Anfang mit Themeninseln, auf denen man sich digital zum Austausch mit anderen treffen kann.

Dieser Aspekt muss noch massiv besser werden, wenn virtuelle Events eine wirkliche Alternative werden wollen. Wir müssen die beklemmende Situation des digitalen Speed Datings schnell hinter uns lassen. Ein Weg könnte sein: Gesprächsanlässe schaffen. Denn über die eröffnen sich auch im realen Leben ein Gespräch. Gesprächsanlässe lassen sich auch digital schaffen. Vielleicht kann das Profilbild des Teilnehmers um eine Auszeichnung ergänzt werden, auf der steht, was einen interessiert. Oder die Rolle der Hosts besteht in Zukunft hauptsächlich darin, Gespräche zu initiieren.

Messen, die alle acht Punkte beachten, werden auch in den nächsten Jahren erfolgreich als Handelsplatz und Treffpunkt agieren. Und Wege finden das klassische Quadratmeter Geschäftsmodell durch neue Angebote zu ergänzen oder sogar zu ersetzen. Natürlich bedarf es Mut, sein eigenes Geschäftsmodell zu hinterfragen aber der wird sich auszahlen.

 

    Digitale Messen Stefan Walz, Timm Weber 09.02.2021

    Teil 2: Nix halbes sondern was Ganzes.

    Warum Hybrid Messen die Zukunft sind.

    Digitale Messen, Teil 2

    Text: Stefan Walz, Timm Weber